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Evolution
evangelikale Evolutionskritik
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An den Grenzen des Wissens beginnt Unwissen, nicht Design.
Intelligent Design (ID) hat als Schlagwort mittlerweile den Weg in die deutsche Presselandschaft gefunden und dient als beliebtes Label für eine neue Bedrohung: die „religiöse Rechte“, die aus den USA auch nach Deutschland überzuschwappen drohe. Daneben erfreut sich ID zunehmender Beliebtheit auch in der deutschen evangelikalen Szene, zumal es den Anspruch vermittelt, Gott durch die Wissenschaft wieder gesellschaftsfähig machen zu können.
„Intelligent Design“ (ID) ist die Ansicht, „dass es in der Natur allgemein und speziell in der Organismenwelt Planung gibt, oder gegeben haben könnte, …, [und] dass diese Planung in der Natur durch naturwissenschaftliche Methoden prinzipiell nachweisbar ist.“ [1]. Oder, um mit Dembski und Ruse zu sprechen:
Intelligent Design is the hypothesis that in order to explain life it is necessary to suppose the action of an unevolved intelligence. One simply cannot explain organisms, those living and those long gone, by reference to normal natural causes or material mechanisms, be these straightforwardly evolutionary or a consequence of evolution, such as an evolved extraterrestrial intelligence. [2Dembski, William A.; Ruse, Michael (Hg.) (2004): Debating Design : From Darwin to DNA, Cambridge University Press, Cambridge], S. 3
Die breite Vielfalt der Ansichten seiner Vertreter macht es schwer, klare Aussagen über ID zu treffen:
Although most supporters of Intelligent Design are theists of some sort (many of them Christian), it is not necessarily the case that a commitment to Intelligent Design implies a commitment to a personal God or indeed to any God that would be acceptable to the world's major religions. The claim is simply that there must be something more than ordinary natural causes or material mechanisms, and moreover, that something must be intelligent and capable of bringing about organisms. [2Dembski, William A.; Ruse, Michael (Hg.) (2004): Debating Design : From Darwin to DNA, Cambridge University Press, Cambridge], S. 3
Etwas mehr Licht in die Frage zu bringen, was genau sich hinter dem ID-Ansatz und der „ID-Bewegung“ verbirgt, ist das Ziel der folgenden Ausführungen. Dazu ist es u.a. notwendig, wie weiter unten noch begründet wird, sich die Entstehungsgeschichte im US-amerikanischen Kontext anzuschauen.
Die ID-Bewegung ist in vieler Hinsicht ein typisches Kind der US-amerikanischen Gesellschaft. Daher ist es für das Verständnis der gesamten Debatte unerläßlich, einen kurzen historischen Überblick über die öffentliche Wahrnehmung des Evolutionsgedankens in den USA in den letzten einhundert Jahren zu geben. Dabei handelt es sich hauptsächlich um eine Reihe von Prozessen in der Auseinandersetzung um den Lehrplan des naturwissenschaftlichen Unterrichts.
Damit verbunden ist die Frage, inwieweit Intelligent Design nur „Kreationismus in neuem Gewand“ ist, wie ihm oft von seinen Gegnern vorgeworfen wird (u.a. [3Forrest, Barbara (2001): The Wedge at work: How intelligent design creationism is wedging its way into the cultural and academic mainstream, in Pennock, Robert T. (Hg.): Intelligent Design Creationism and its Critics, Kap. 1, S. 5-53, MIT Press, Cambridge, MA, 4Coyne, Jerry A. (2001): Creationism by stealth, Nature 410:745-6]). Das Wissen über die Entstehung der US-amerikanischen ID-Bewegung ist für die Beantwortung dieser Frage essentiell, auch wenn die verschiedenen Aspekte (Hintergrund der Vertreter, Motivation) nicht überbetont werden sollten.
Diese und weitere Aspekte zur Geschichte der ID–Bewegung werden im Artikel
ausführlicher behandelt.
Das Kernargument der ID-Bewegung – die Komplexität der (belebten) Welt weise auf eine intelligente Ursache hin – ist nicht neu. Es läßt sich mit Sicherheit bis zu den griechischen Philosophen Sokrates, Platon und Aristoteles zurückverfolgen [5Ruse, Michael (2004): The Argument from Design : A Brief History, in Dembski, William A.; Ruse, Michael (Hg.): Debating Design: From Darwin to DNA, Kap. 2, S. 13-31, Cambridge University Press, Cambridge]. Besondere Bedeutung kommt diesem Argument auch für die Entwicklung des modernen (darwinschen) Evolutionsgedankens zu, da die vorherrschende Theologie in England zur Zeit Charles Darwins vom Gedanken geprägt war, daß „Design“ in der Natur der Gottesbeweis schlechthin sei (v.a. [6Paley, William (1802): Natural Theology; or, Evidences of the Existence and Attributes of the Deity, J. Faulder, London]). Darwin selbst verstand seine Theorie als (naturwissenschaftliche) Antwort auf diese Theologie.
Sehr gerne nehmen die Vertreter des ID Bezug auf das von Darwin selbst formulierte „Falsifikations-Kriterium“ seiner Theorie:
If it could be demonstrated that any complex organ existed, which could not possibly have been formed by numerous, successive, slight modifications, my theory would absolutely break down. [7Darwin, Charles (1859): On the Origin of Species by Means of Natural Selection or the Preservation of Favoured Races in the Struggle for Life, John Murray, London], S. 189
Ihre Argumentation: Genau solche komplexen Strukturen habe die moderne molekularbiologische und biochemische Forschung überzeugend nachgewiesen.
Was die Ziele der ID-Bewegung angeht, gab und gibt es viel Verwirrung. Hier kommt voll zum Tragen, wie groß die Rolle von Ideologie und Polemik in der gesamten Auseinandersetzung ist. Ein erheblicher missionarischer Eifer ist bei den Vertretern der ID-Bewegung jedenfalls nicht zu leugnen. Und daß die Wissenschaftsgemeinschaft alarmiert reagiert, wenn eine zumindest in der US-amerikanischen Öffentlichkeit an Einfluß gewinnende Organisation sich anschickt, die Grundfesten der Naturwissenschaft1) zu erschüttern und durch eigene Anschauungen zu ersetzen, ist alles andere als verwunderlich.
Den Versuch, etwas Licht in das Dunkel jenseits von Polemik und Ideologie zu bringen und die wichtigsten Vertreter, ihre Anschauungen und Ziele vorzustellen, unternimmt der Artikel
Ebenfalls in diesem Artikel enthalten ist ein kurzer Überblick über die deutsche ID-Bewegung. Wichtig ist, nicht zu vergessen, daß das (abstrakte, wissenschaftliche) Konzept von „Intelligent Design“ (nichtreduzierbare Komplexität etc.) nicht mit der ID-Bewegung als solcher identisch ist.
Die entscheidende Frage im jüngsten US-amerikanischen Prozeß um die Ursprungsfrage im (naturwissenschaftlichen) Schulunterricht war, ob ID als naturwissenschaftlicher Ansatz gewertet werden kann oder nicht. Die Antwort des Richters John E. Jones III. läßt an Klarheit nichts vermissen:
Teaching intelligent design in public school biology classes violates the Establishment Clause of the First Amendment to the Constitution of the United States (and Article I, Section 3 of the Pennsylvania State Constitution) because intelligent design is not science and cannot uncouple itself from its creationist, and thus religious, antecedents.
Seinem Urteil vorausgegangen war eine intensive Beschäftigung mit der Thematik, wie seine ausführliche Urteilsbegründung zeigt. Jedenfalls kann man ihm nicht den Vorwurf machen, voreilig geurteilt zu haben.
Ein kurzer Überblick über Jones' Argumentation, die Auseinandersetzung von ID von Seiten der „offiziellen“ Naturwissenschaft (u.a. [2Dembski, William A.; Ruse, Michael (Hg.) (2004): Debating Design : From Darwin to DNA, Cambridge University Press, Cambridge, 8Young, Matt; Edis, Taner (Hg.) (2004): Why Intelligent Design Fails : A Scientific Critique of the New Creationism, Rutgers University Press, New Brunswick]) und die Debatte im deutschsprachigen Raum liefert der Beitrag
Der Titel nimmt die Antwort schon voraus. Der Leser möge trotzdem selbst auf Basis der ihm zur Verfügung gestellten Informationen urteilen.