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Evolution
evangelikale Evolutionskritik
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Die hier erläuterten Standpunkte entsprechen nicht der Meinung des Autors. Sie beruhen auf persönlicher Erfahrung1), allerdings hat der Autor zwischenzeitlich seine ursprüngliche evolutionskritische Meinung komplett aufgegeben.
Ziel dieses Essays ist es, einmal kurzgefaßt und im Zusammenhang die Grundlagen einer „bibeltreuen Evolutionskritik“ darzustellen. Das soll es demjenigen, der mit dieser Form der Kritik an der Evolution konfrontiert wird, aber mit dem gemeindlichen und Glaubenshintergrund, vor dem sie vorgetragen wird, nicht vertraut ist, ermöglichen, zumindest grob nachzuvollziehen, wie Menschen auf derlei Ideen kommen können.
Dem Autor ist aus eigener Erfahrung bewußt, daß es Personen, die mit diesem Denken nicht vertraut sind, oft schwerfällt, die Gedanken nachzuvollziehen. Es ist auch nicht Ziel oder Absicht, dieses Denken an dieser Stelle zu bewerten2), sondern es möglichst nüchtern und einfach zu skizzieren.
Der Begriff „bibeltreu“, wie er hier verwendet wird, bezieht sich auf ein überwiegend in evangelikalen Kreisen verbreitetes, in der Brüderbewegung stark betontes und von dort ausgehendes Festhalten an einem sehr direkten, wörtlichen Zugang zur Bibel und an ihrer uneingeschränkten Autorität hinsichtlich aller Fragen. Dieses "evangelikale Schriftverständnis" ist in den sogenannten „Chicago-Erklärungen“ formuliert worden, auf die sich viele Gemeinden in der evangelikalen Szene explizit berufen. Wesentliche Aspekte dieses Bibelverständnisses sind die „Unfehlbarkeit und Irrtumslosigkeit der Schrift“, der Ursprung der Bibel in einer „direkten göttlichen Offenbarung“ und die uneingeschränkte Autorität, die ihr3) für alle Fragen des Lebens eingeräumt wird.
Immer wieder wird betont, daß keine Erkenntnis ohne vorher festgelegte Grundprämissen möglich ist. Für diese weithin in der Wissenschaftstheorie und Philosophie akzeptierte These werden gerne die beiden Philosophen Wolfgang Stegmüller und Karl Popper zitiert:
Man muß nicht das Wissen beseitigen, um dem Glauben Platz zu machen. Vielmehr muß man bereits an etwas glauben, um überhaupt von Wissen und Wissenschaft reden zu können. Wolfgang Stegmüller: Metaphysik, Skepsis, Wissenschaft, Springer, Heidelberg, 2. Aufl. 1969, S. 211; zitiert nach: Volker Kessler, Alexander Solymosi: Ohne Glauben kein Wissen. „Mathematischer Beweis“ der Unvollständigkeit unseres Wissens, Schwengeler, Berneck 1995
Eine „Selbstgarantie“ des menschlichen Denkens ist, auf welchem Gebiet auch immer, ausgeschlossen. Man kann nicht vollkommen „voraussetzungslos“ ein positives Resultat gewinnen. Man muß bereits vorher an etwas glauben, um etwas anderes rechtfertigen zu können. Stegmüller, a.a.O., S. 307
So ist die empirische Basis der objektiven Wissenschaft nichts „Absolutes“; die Wissenschaft baut nicht auf Felsengrund. Es ist eher ein Sumpfland, über dem sich die kühne Konstruktion ihrer Theorien erhebt; sie ist ein Pfeilerbau, dessen Pfeiler sich von oben her in den Sumpf senken – aber nicht bis zu einem natürlichen, „gegebenen“ Grund. Denn nicht deshalb hört man auf, die Pfeiler tiefer hineinzutreiben, weil man auf eine feste Schicht gestoßen ist: wenn man hofft, daß sie das Gebäude tragen werden, beschließt man, sich vorläufig mit der Festigkeit der Pfeiler zu begnügen. Karl R. Popper: Logik der Forschung, Mohr Siebeck, Tübingen 2005 (11. Aufl. hrsg. von Herbert Keuth), S. 88
Aus diesen zitierten Aussagen wird dann abgeleitet, daß jeder Wissenschaft „weltanschauliche Vorentscheidungen“ zugrundeliegen. Für die Naturwissenschaften wird der „methodischen Naturalismus“ als solche „weltanschauliche Vorentscheidung“ identifiziert, der durch eigene, auf dem eigenen Bibelverständnis und dem daraus resultierenden Weltbild gründende, Prämissen ausgetauscht werden muß, wenn es um Fragen wie die nach dem Woher und Wohin geht, zu denen die Bibel ebenfalls etwas sagt.
Weiterhin wird hierüber auf eine (erkenntnistheoretische) Gleichberechtigung einer nach eigenem Verständnis biblisch begründeten „Schöpfungsforschung“ mit der Evolutionsbiologie geschlossen, da beide auf (einander widersprechenden) unbeweisbaren Vorentscheidungen beruhten.
Immer wieder wird der historische Charakter des christlichen Glaubens und seine untrennbare Verbindung mit in Raum und Zeit nachweisbaren Tatsachen betont.
Sehr eingängig ist das Bild eines „symmetrischen Geschichtsverständnisses“: Am Anfang steht die Schöpfung, am Ende die Neuschöpfung („Neuer Himmel und Neue Erde“, wie in der Offenbarung verheißen), und im Zentrum der Geschichte, als „Dreh- und Angelpunkt“, Tod und Auferstehung Jesu.
Abb. 1: „Symmetrisches Geschichtsverständnis, wie es in evangelikalen Kreisen gelehrt wird. Die angegebenen Bibelstellen werden jeweils zur Bestätigung herangezogen. Verändert nach: Reinhard Junker, Siegfried Scherer (Hg.): Schöpfung (o)der Evolution? Denkansätze zwischen Glauben und Wissen, Hänssler, Neuhausen-Stuttgart, 1996, 3. Aufl. 1998, S. 13.
Tod und Auferstehung Jesu werden notwendig gemacht durch den „Sündenfall“ der ersten Menschen (Adam und Eva im Paradies) und die damit einhergehende Verdamnis des Menschen durch Gott und die daraus resultierende Erlösungsbedürftigkeit des Menschen. Diese Erlösung von der Schuld durch den Ungehorsam im Garten Eden („Sündenfall“) wird ermöglicht durch den „vollkommenen Gehorsam“ des Gottessohnes, der, selbst ohne Schuld, stellvertretend für die gesamte Menschheit die Strafe trägt. Hier klingt das insbesondere in den paulinischen Briefen immer wieder anzutreffende geradezu juristische Verständnis dieses „Erlösungshandelns“ an.
Kurzgefaßt lautet die darauf aufbauende Argumentation: Wenn es kein Paradies und damit keinen Sündenfall gab, dann gibt es auch keine Verdamnis des Menschen durch Gott, folglich auch keine Erlösungsbedürftigkeit. Damit ist aber der Kern des christlichen Glaubens hinfällig geworden.
Weiter konkretisiert wird dieser historische Rahmen des christlichen Glaubens und dessen Bedeutung für allgemeine historische Konzepte durch folgende weiteren Aussagen:
Es ist bereits angeklungen, daß dem Tod meist die Bedeutung eines göttlichen Gerichtshandelns zugesprochen wird, das im direkten Gegensatz zu seiner „schöpferischen“ Funktion in einem Evolutionsszenario4) steht.
Auch wenn es nicht ganz unumstritten ist, wird doch meist von „bibeltreuer“ Seite aus, argumentierend über zwei Passagen im Römerbrief (Röm 8,19-23; 5, 12-21), auch der Tod im Tierreich als Folge des Sündenfalls des Menschen gesehen.
Aus dem bisher Gesagten ergibt sich eine Reihe von Glaubenssätzen (Dogmen), die, wenn auch nicht notwendigerweise jeder für sich alleine, so doch im Zusammenhang dem der Evolutionsbiologie zugrundeliegenden (und dort unstrittigen) Evolutionsgedanken5) entgegenstehen:
Sicherlich wird man noch weitere Punkte anführen können, und sicherlich wird es einzelne Vertreter geben, die den einen oder anderen Aspekt weniger betonen oder anders sehen. Trotzdem erscheinen mir die hier aufgeführen Punkte als durchaus repräsentativ.
Die hier dargestellten Grundlagen einer bibeltreuen Evolutionskritik stehen in vielfacher Weise im Konflikt mit Grundprämissen und Aussagen der (Natur-)Wissenschaften im Allgemeinen und der Evolutionsbiologie im Speziellen.
Einige dieser Konfliktpunkte seien hier noch einmal herausgegriffen und zur Verdeutlichung pointiert dargestellt:
Neben diesen grundsätzlichen konzeptionellen Konfliktpunkten sticht auf der Seite der Daten insbesondere das unüberbrückbare Auseinanderklaffen der Datierung hervor: Vor dem Hintergrund der überwältigenden Zahl unabhängiger Datierungen des Alters astronomischer und geologischer Objekte sowie von Fossilien, die allesamt die oben aufgeführte Zeitvorstellung von maximal 10.000 Jahren sprengen, ist unklar, wie sich dieser Widerspruch auflösen lassen sollte.
Für den deutschen Sprachraum hat die "Studiengemeinschaft Wort und Wissen" mittlerweile eine Art Monopolstellung für Publikationen zum hier angesprochenen Thema, die sich an alle Altersgruppen richten.
Ohne Vollständigkeit seien im Folgenden einige dieser Publikationen genannt. Die meisten dieser Publikationen sind dem interessierten Leser über die Seite der Studiengemeinschaft zugänglich.
Kurze, meist zwei bis vier Seiten lange, um Allgemeinverständlichkeit bemühte Texte diverser Autoren zu verschiedenen Themen, in loser Folge herausgegeben.
Es gibt eine Reihe von Bibelzitaten, meist einzelne Verse oder kurze Passagen, die sich immer wieder in der Argumentation finden. Einige wurden oben in Abb. 1 genannt, einige von zentraler Bedeutung sollen hier zusammen mit einer kurzen Beschreibung ihrer Auslegung wiedergegeben werden.
Als „Paradestelle“ für das Thema „Evolution“ wird häufig ein Vers aus dem Hebräerbrief zitiert, aus einer Passage, in der es dem Schreiber um das Wesen des Glaubens geht. Sie sei hier im Wortlaut zusammen mit einem Beispiel für die „bibeltreue“ Auslegung zitiert.
Durch Glauben verstehen wir, daß die Welten durch Gottes Wort bereitet worden sind, so daß das Sichtbare nicht aus Erscheinendem geworden ist. Hebr. 11,3 (Revidierte Elberfelder Übersetzung)
Dazu heißt es in einem häufig und gerne verwendeten allgemeinen Kommentar zum Neuen Testament:
»Glaube« gibt uns die einzigen Fakten über die Schöpfung. Gott ist der einzige, der dabei war, und er berichtet uns, wie es geschehen ist. Wir glauben seinem Wort und wissen es deshalb. McCue sagt: »Das Konzept eines Gottes, der vor der Materie existiert und sie durch sein Wort ins Dasein gerufen hat, geht über den Bereich des Verstandes oder des Beweises hinaus. Es wird einfach durch einen Glaubensakt angenommen.«
»Durch Glauben verstehen wir.« Die Welt sagt: »Was ich nicht sehen kann, glaube ich nicht.« Gott sagt: »Wer glaubt, sieht.« Jesus sagte zu Martha: »Habe ich dir nicht gesagt, wenn du glaubtest, so würdest du … sehen?« (Joh 11,40). Der Apostel Johannes schrieb: »Dies habe ich euch geschrieben, damit ihr wißt …, die ihr an den Namen des Sohnes Gottes glaubt« (1. Joh 5,13). In geistlichen Angelegenheiten kommt zuerst der Glaube, und dann das Verstehen.
»Daß die Welten durch Gottes Wort bereitet worden sind.« Gott sprach, und die Materie entstand. Das stimmt vollkommen mit der Entdeckung überein, daß Materie im Grunde nur eine Form der Energie ist. Als Gott sprach, entstand Energie in Form von Schallwellen. Sie wurden zu Materie, und die Welt entstand.
»So daß das Sichtbare nicht aus Erscheinendem geworden ist.« Energie ist unsichtbar, ebenso Atome, Moleküle und Gase für das nackte Auge, doch wenn sie zusammenkommen, werden sie sichtbar.
Die Tatsache der Schöpfung, wie sie in Hebräer 11,3 beschrieben wird, ist unanfechtbar. Diese Beschreibung ist nie verbessert worden und kann es auch nicht werden. William MacDonald: Kommentar zum Neuen Testament, CLV, Bielefeld 1994, 2. Auflage 1997, S. 1237f.
Zugegeben ist dieser Kommentar in keiner Weise erschöpfend, und das will er auch gar nicht sein. Andererseits kommt das „normale“ Mitglied einer „bibeltreuen“ Gemeinde auch selten in Berührung mit einer tiefergehenden Analyse oder Auslegung dieser Passage. Insofern kann der zitierte Kommentar mit einiger Berechtigung als repräsentativ für das Denken und Argumentieren in diesen Kreisen angesehen werden.