Reihenfolge der Entstehung bei Schöpfung und Evolution

Von denen, die Evolution und biblische Schöpfungserzählung harmonisieren wollen, wird häufig als Argument gebracht, beide ließen sich vereinbaren. Schließlich könne man im Schöpfungsbericht ja durchaus auch eine einfache Beschreibung des Evolutionsszenarios sehen (gemäß der Ansicht: Die Leute damals hatten noch keine Naturwissenschaften wie wir heute, die konnten das nicht anders verstehen).

Diese Argumentation bricht bei einer genaueren Betrachtung des Schöpfungsberichtes in 1. Mose 1 in sich zusammen, wenn man den biblischen Text als unumstößlich hinnimmt: Am deutlichsten werden die Unterschiede bei der Erschaffung der Pflanzen am dritten Tag vor den Himmelskörpern und die Erschaffung der Vögel vor den Landlebewesen (und damit auch vor den Reptilien).

Wer deshalb die Reihenfolge der Tage im Schöpfungsbericht als nicht relevant abtut, muß sich aus evangelikaler Sicht die Frage gefallen lassen, wieso er die Reihenfolge nicht ernst nimmt, andere Teile des Berichtes dagegen schon, wo er die Grenzen zwischen beidem zieht und auf welche Autorität er sich dabei beruft. Das gängige Argument dazu lautet: „Wenn wir nicht alles ernst nehmen dürfen, was in der Bibel steht (und was selbst ernst genommen werden will), wer sagt uns dann, was wir ernst nehmen müssen und was nicht?“ Das ist ein grundsätzliches Problem in der Auslegung, dessen Diskussion an anderer Stelle erfolgt. Hier sei nur darauf hingewiesen, daß die „Chicago-Erklärungen“ im evangelikalen Lager zu diesem Thema eine deutliche Aussage machen - insbesondere halten sie an einem absoluten Primat des biblischen Textes fest.

Kommentar

Allerdings sollte man auch bedenken, daß ein Festhalten an einer wörtlichen Auslegung der Schöpfungsberichte einige schwerwiegende Probleme mit sich bringt, was eine konsistente Erklärung des Textes angeht.

Abgesehen davon, daß die Textgattung zumindest des ersten Schöpfungsberichtes (Gen 1,1-2,4) mit hoher Sicherheit eine wörtliche Auslegung als historischer Tatsachenbericht überhaupt nicht zuläßt, ergibt sich aus einem streng wörtlichen Verständnis der betreffenden Passagen eine Reihe grundlegender Schwierigkeiten:

  • Wenn die Himmelskörper erst am vierten Tag geschaffen werden, wie soll dann die Erde vorher existieren? Die Erde kann - zumindest nach all unserer Kenntnis über das Sonnensystem, in dem sie sich befindet, und die gesamte Kosmologie - nur im Verbund mit dem Rest des Sonnensystems existieren.
  • Wenn die Sonne erst am vierten Tag „geschaffen“ wird, was hat dann vorher geleuchtet und für Tag und Nacht gesorgt? Hinzu kommt, daß die „Himmelskörper“ nach Aussage von Gen 1, 14 nur zur Unterscheidung von Tag und Nacht (und zur Bestimmung von Zeiten) dienen sollen. Nimmt man diesen Vers wörtlich, dann sorgt etwas anderes als die Sonne für das Licht am Tag.
  • Auch wenn man auf einen Übersetzungsfehler schließen kann, legt die Beschreibung des „Himmelsgewölbes“, an dem die Himmelskörper sind, durchaus ein Weltbild nahe, das von einer (flachen) Erde ausgeht, die von einem Gewölbe umgeben ist, an dem die Himmelskörper „befestigt“ sind, ganz so, wie man es aus einschlägigen Holzschnitten1) kennt.
  • Die rein vegetarische Ernährung aller Tiere (einschließlich des Menschen) widerspricht klar der jetzigen Ökologie. Versuche, das mit einer „Fallgestaltigkeit der Schöpfung“ zu erklären, sind wenig tragfähig. Insbesondere das dann in der Offenbarung wieder bemühte Bild, der Löwe liege friedlich neben dem Lamm, erscheint bei einer genaueren Betrachtung des Löwen, der als Raubtier auf diese Funktion hin optimiert ist, mehr als fragwürdig.
1)
Diese Holzschnitte sind ihrerseits allerdings bereits eine Kritik an diesem Weltbild, stammen sie doch aus der Zeit der Renaissance
argumente/reihenfolge.txt · Zuletzt geändert: 2017/12/09 21:27 (Externe Bearbeitung)